Warum der Rechtspopulismus heute so stark ist
Der Rechtspopulismus hat sich als politische Kraft etabliert – auch in Deutschland. Die Zäsur für das politische System der Bundesrepublik ist offenkundig: Die Volksparteien verlieren an Zuspruch, rechts vom christlichen Konservatismus gibt es jetzt wählbare Alternativen. Noch sind die Machtaussichten der Rechten bescheiden, niemand will mit ihnen koalieren. Glaubt man einer jüngst veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung, ist das rechte Wählerpotenzial sogar ausgeschöpft. Bei über 70 Prozent der wahlberechtigten Deutschen gelten sie als nicht-wählbar, keine andere politische Kraft stoße auf solch geballte Ablehnung.
Die Angst im Land ist trotzdem groß. Umso mehr als in Thüringen, Sachsen und Brandenburg in der zweiten Jahreshälfte Landtagswahlen auf dem Programm stehen. Zumindest zwischen Pleiße und Neiße könnten die Rechten zur stärksten politischen Kraft im Parlament werden. Viele Linke sehen damit bereits den Faschismus an die Tür klopfen. Fast alle sprechen von einer Rechtsverschiebung des politischen Diskurses. Was heute an rechtem Gedankengut in der Öffentlichkeit sagbar sei, wäre früher noch tabuisiert gewesen. Was das neue Sagbare genau sein soll und für welchen Zeitraum diese Behauptung gilt, wird meistens nicht klar. Das soll nicht heißen, dass Putin-Versteher, Antiamerikaner, Freunde des Volksentscheids, Verächter des liberalen Pluralismus und Kämpfer für ethnische Homogenität politisch unbedenklich wären. Ein Problem ist der Rechtspopulismus nicht zuletzt deshalb, weil er die Möglichkeit völkischer Radikalisierung in sich trägt.
Insofern wäre es gut zu wissen, was heute politisch erfolgreich gegen rechts vorgebracht werden kann. Dies ist schon deshalb schwierig zu beantworten, weil die Frage danach oft von historisch falschen Analogien und wohlmeinendem Alarmismus begleitet wird. Recht eigentlich bleibt jedoch unklar, woher der Erfolg der Rechten rührt. Bricht sich mit ihm ein lange Zeit in den westlichen Wohlfahrtsstaaten eingehegter Rassismus weißer Männer Bahn, die angesichts eines neoliberalen Strukturwandels ihre durch Einwanderung und Feminismus bedrohten Privilegien verteidigen? Oder reagiert die Klientel des Rechtspopulismus ziemlich rational auf die Herausforderungen, vor der ehemals national organisierte Sozialstaaten angesichts der Transformation in marktoffene Wettbewerbsstaaten stehen? Ist die rechte Offensive also ein Rückzugsgefecht der eigentlich besser Gestellten, das sich zudem gegen die Erfolge linker Identitätspolitik wendet? Oder muss linke Identitätspolitik als Begünstigungsfaktor einer immer feiner ausdifferenzierten subjektiven Konkurrenz im heutigen Kapitalismus problematisiert werden, lässt sich den Rechten also nur mit einer verallgemeinerungsfähigen sozialen Politik das Wasser abgraben?
Der Rote Salon im Conne Island lädt dazu ein, diese und andere Fragen mit Silke van Dyk, Professorin für Politische Soziologie am Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Philip Manow, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bremen, zu diskutieren.
Gefördert von: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Ver.di Bezirk Leipzig/Nordsachsen und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sowie vom Freistaat Sachsen