Der Aufstand des 17. Juni 1953, der sich 2013 zum 60. Mal jährt, war in seiner Deutung immer schon umkämpft. Während die SED-Führung die Erhebung ihrem imperialismustheoretischen Weltbild gemäß als einen vom Westen gesteuerten »faschistischen Putsch« bezeichnete, brachte die alte Bundesrepublik das Datum als Nationalfeiertag in Stellung, um die Unrechtmäßigkeit des SED-Regimes anzuprangern und an die uneingelöste deutsche Einheit zu erinnern. Seit 1989 ist zu dieser Erzählung hinzugetreten, den 17. Juni als Glied einer langen Kette demokratischer Erhebungen, mithin als Ausweis einer vermeintlich freiheitlichen Tradition der Deutschen zu inszenieren. Zwei Aspekte des 17. Juni kommen in dieser Erzählung freilich nicht vor: Zum einen unterschlägt die Deutung als freiheitliches Fanal die Reihe gewalttätiger Begleiterscheinungen wie Plünderungen, Brandstiftungen, physische Gewalt bis hin zu Fällen von Lynchjustiz seitens eines nicht unerheblichen Teils der Demonstrierenden, in denen sich deren Antikommunismus und Vernichtungsphantasien, der Wunsch nach Bereicherung wie auch eine allgemeine Verrohung infolge des Weltkriegs Bahn brachen, also so etwas wie das Gesicht des erst acht Jahre zurückliegenden Nationalsozialismus zum Vorschein kam. Zum anderen marginalisiert die Deutung als »Volksaufstand« den Ursprung der Erhebung in der Arbeiterschaft, der der Sinn weniger – wie heute suggeriert wird – nach deutscher Einheit stand, als vielmehr nach Kritik am autoritären Kurs der SED, nicht jedoch am Aufbau des Sozialismus als solchem. Die Veranstaltung des Roten Salon will sowohl beide verdrängte Aspekte des 17. Juni 1953 in den Blick nehmen als auch den Gründen für die Absenz beider Phänomene in der Geschichtspolitik der Berliner Republik nachgehen.