Abschied ohne Tränen. Warum sich die Linke angesichts der Krise des Westens so ungerührt zeigt

Gespräch mit Andrei S. Markovits

(Politologe, Ann Arbor/Michigan)
Conne Island, Leipzig, 31. Mai, 19 Uhr (Einlass: 18.30 Uhr)

Zeichen für eine innere Krise des Westens häufen sich: der Aufstieg des sogenannten Rechtspopulismus, Salafismus als Jugendkultur, Friktionen innerhalb Institutionen wie der EU und der NATO, um einige zu nennen. Zugleich wird der Westen von außen, von autoritären Mächten wie Russland, China und der Türkei, herausgefordert. Der Großteil der Linken zeigt sich darüber allerdings nicht betrübt. Natürlich warnen sie allenthalben vor nationalistischen Entwicklungen, ja sehen gar mit Trump und AfD wieder einmal die faschistische Machtübernahme vor der Tür. Dabei lässt die manische Feststellung von Fehlentwicklungen der Demokratie unweigerlich die Grenzen zwischen dem vermeintlich „autoritärem Etatismus“ im Westen und den tatsächlichen autoritären Regimen der Putins, Erdogans, Chameneis und Xi Jinpings verschwimmen. Der Effekt solcher Vereinfachung ist eindeutig: Ein positive Bezug auf den Westen wird unmöglich, vielmehr wird er als Synonym für imperialistische Ausbeutung und kulturelle Vorherrschaft bekämpft.
Die Weigerung, westliche Errungenschaften als das bessere Zivilisationsmodell zu akzeptieren, hinter das linke Utopie und Praxis nicht zurückfallen darf, wurde bereits im Kalten Krieg geprägt. Die Solidarität mit antikolonialen Befreiungsbewegungen als Ersatz für die sich nicht erfüllenden revolutionären Hoffnungen in den kapitalistischen Metropolen machte den Westen und insbesondere dessen Führungsmacht Amerika zum Feindbild. Die Linke hielt daran auch nach dem Ende des Systemkonflikts fest – ungeachtet geopolitischer Transformationen und ungeachtet der antiwestlichen Offensive konservativer Intellektueller sowie der wiederkehrenden Bemühungen der deutschen Politik selbst, sich aus dem engen transatlantischen Bündnis zu lösen.

Im Gespräch mit dem amerikanischen Politologen Andrei S. Markovits möchte der Rote Salon das Verhältnis der Linken zum Westen in seiner historischen Entwicklung und gegenwärtigen Dimension erörtern. Wir freuen uns auf einen Gast, der die deutsche Linke über Jahrzehnte beobachtet und ihre Positionierungen immer wieder kritisch kommentiert hat. Nicht zuletzt seine emphatische Bezugnahme auf die deutsche Westbindung als Bedingung gesellschaftlicher Zivilisierung im Nachfolgestaat der Nazis macht Markovits für uns zu einem interessanten Gesprächspartner.

In Kooperation mit Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen