Brief des Roten Salon an das Plenum des Conne Island zur Debatte über die Thomas Maul-Veranstaltung Juni 2018

Liebe Betreiberinnen und Betreiber des Conne Island,

wir haben in den letzten Tagen einiges von der Diskussion über die Thomas-Maul-Veranstaltung mitbekommen. Glaubt man den Berichten von Eurem letzten Plenum und liest die Stellungnahme zur Rücknahme der Fördergelder durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS), dann scheint Ihr stark unter Beschuss. Auch wir vom Roten Salon bekamen unmittelbar vor unserer letzten Veranstaltung von der grünen Landesstiftung ›Weiterdenken‹ den Wunsch mitgeteilt, wir sollten uns doch zur Maul-Affäre äußern. Dies hat uns zu folgendem Schritt bewogen: Wir möchten Euch unsere Unterstützung mitteilen.

Was die Äußerungen von Thomas Maul über die AfD betrifft, haben wir unterschiedliche Meinungen im Roten Salon. Während der eine ›Flügel‹ sie als Provokation sieht, die berechtigterweise Kritik an inhaltsloser Israel-Solidarität und einer unkritischen Auseinandersetzung mit dem Islam zum Ausdruck bringen will, finden die anderen Mauls Facebook-Kommentare im Grundsatz falsch, weil sie den eigentlichen, fremdenfeindlichen Charakter der AfD verkennen. Wir haben das diskutiert und sind nicht zu einer Übereinstimmung gelangt. Wir werden demnächst Mauls Bahamastexte dazu lesen, um die Diskussion auf breiterer Textgrundlage führen zu können.

Übereinstimmend finden wir aber die gegenwärtige Abgrenzungsdynamik, die dem Conne Island entgegenschlägt, problematisch. Dafür haben wir mehrere Gründe:

Die Rücknahme der Förderung durch die RLS trägt nicht den Charakter eines Diskussionsangebots oder einer kritisch-inhaltlichen Äußerung, sondern den einer Bestrafung. Sie kontextualisiert Mauls Äußerungen nicht und macht sich gar nicht erst die Mühe, deren Anliegen zu ergründen. Mehr noch macht sie die wahrscheinlich unterschiedlichen Haltungen im Conne Island mit den Facebook-Posts von Thomas Maul gemein.

Mit Florian Markl und Alex Feuerherdt, deren Auftritt die finanzielle Unterstützung entzogen wird, trifft sie dazu noch gewissermaßen Unbeteiligte. Dies geschieht, obwohl ihr geplanter Vortrag über die Delegitimierung Israels durch die UNO doch eigentlich alle Unterstützung verdienen müsste. Doch offensichtlich ist es der RLS wichtiger, sich vom Conne Island und von Thomas Maul abzugrenzen. Dass dies in Form einer materiellen Entsolidarisierung geschieht, lässt die Frage aufkommen, wie wichtig der Stiftung dieses Thema wirklich ist.

Die Stellungnahme der RLS offenbart zudem ein sehr begrenztes Verständnis von pluralistischer Debatte und inhaltlichem Streit. Einerseits heißt es, man begrüße inhaltliche Auseinandersetzungen, andererseits werden diese durch Aufforderungen zu Distanzierungen und Abgrenzungsplattitüden selbst sofort eingeengt, ja verunmöglicht. Der linke Pluralismus ist nicht nur sehr begrenzt, sondern offenbart dabei umso mehr seine linkstraditionalistische Schlagseite: Antizionistische Äußerungen von Ulla Jelpke oder der neueste Antiamerikanismus von Oskar Lafontaine führen selbstredend nicht zu ähnlich plakativen Abgrenzungsgesten. Fordern Autoren wie Maul, die sich selbst dem Projekt materialistischer Gesellschaftskritik und der kommunistischen Aufhebung der Herrschaft des Kapitals verpflichtet sehen, linke Denkgewohnheiten heraus, schottet man den Diskussionsraum ab.

Deswegen schätzen wir die Entscheidung des Conne Island, als Veranstaltungsort für Thomas Maul einzuspringen, gerade weil dies der Auseinandersetzung tatsächlich dient. Nur wenn man Mauls Argumente hören und lesen kann und versucht, vor diesem Hintergrund die Facebook-Kommentare zur AfD zu verstehen, lässt sich eine inhaltliche Diskussion darüber führen. Natürlich sollte es auch im Conne Island Grenzen des Sagbaren geben. Aber weder müssen dies ›linksradikale‹ sein, noch sollten sie leichtfertig bestimmt werden. Die offene Diskussion sollte ebenso wie die kritische Reflexion linker Positionen ein hohes Gut sein, ein Auftrittsverbot braucht deshalb eine sehr gute Begründung. Die bisherigen Stellungnahmen gegen Maul und das Island versuchen sich gar nicht erst daran. Sie erörtern nicht, ob Mauls Lob der AfD als Restvernunft im Bundestag gleichbedeutend mit einer rechten Einstellung ist, sie bemühen sich nicht darum, Maul nachzuweisen, dass er den Wunsch hegt, die AfD möge sich in Zukunft durchsetzen und zur herrschenden Partei in Deutschland werden, sondern erklären die Facebook-Äußerungen zur programmatischen rechten Parteinahme. Der schnellen Verurteilung steht andererseits eine Auslassung des Problemhorizonts gegenüber, der Maul zu seinen Äußerungen veranlasst hat. Der muslimische Antisemitismus und die Rolle des linken Kulturrelativismus kommen jedenfalls nicht zur Sprache. Wie immer man Mauls Äußerungen bewerten mag, sie verweisen zumindest auf eine relevante gesellschaftliche Problemstellung. Der RLS-Erklärung ist nicht anzumerken, dass sich ihre Autorinnen und Autoren dieser Problemstellung bewusst sind. Ja, es lässt sich der Eindruck gewinnen, die ganze ostentative Aufregung diene dazu, über die Probleme der Einwanderungsgesellschaft nicht reden zu müssen und den eigenen ideologischen Heiligenschein bewahren zu können.

Wenn es stimmt, was uns zugetragen wurde, dass das Conne Island von Ex-Mitgliedern und ehemaligen Sympathisanten als Teil einer Rechtsentwicklung gesehen wird, und dabei das Conne-Island-Papier zu sexuellen Übergriffen durch Flüchtlinge, das Merbitz-Gespräch und die Maul-Veranstaltung als beispielgebender Zusammenhang begriffen werden, lässt sich das unserer Meinung nach durchaus auch als Kompliment verstehen. Der Rechtsabweichler-Vorwurf lässt sich als Versuch interpretieren, das zu verhindern, was ihr jeweils durch die oben getroffenen Entscheidungen ermöglicht habt: eine Kontroverse anzustacheln und linke Gewissheiten zu hinterfragen. Das dies bisher nicht mit tiefgründigen Argumenten passiert, ist nicht Eure Schuld. Vielmehr zeigt Ihr gerade jetzt wieder ein Profil, das Euch von bewegungslinker Langeweile und parteinaher Angepasstheit unterscheidet.

Danke und weiter so!

Juni 2018